Die Russlandfeindlichkeit – Demokratische Institutionen gegen die Demokratie in Georgien

 

Die Russlandfeindlichkeit – Demokratische Institutionen gegen die Demokratie in Georgien

 

 

Ein Dossier – zusammengestellt und kommentiert von Dr.phil. Gulbaat Rzchiladse

 

Allgemeines zum Thema

Nach dem Zusammenbruch der UdSSR gibt es politisch schwierige, meist angespannte Beziehungen zwischen den ehemaligen „brüderlichen“ Teilrepubliken der Sowjetunion – Georgien und Russland. Die ethnischen Konflikte in den autonomen Teilrepubliken Georgiens Abchasien und Südossetien, die international als unangefochtenes Bestandteil Georgiens gelten, werden von der Politik und der öffentlichen Meinung Georgiens mit Russland in Verbindung gebracht. Russland sei „schuldig“, dass es diese Konflikte gegeben habe – diese Meinung dominiert in Georgien.

Das Russlandbild in Georgien hat sich vor dem Hintergrund der Kriegshandlungen in Südossetien im August 2008 verschlechert. Die damalige politische Führung Georgiens hat Russland der Aggression und der Besatzung bezichtigt. Diese Stellungnahme bleibt bis heute offiziell in Kraft. Georgien brach diplomatische Beziehungen zu Russland 2008 gleich nach dem Ende der Kriegshandlungen ab, als Moskau die s. g. Unabhängigkeit der georgischen Sezessionsgebiete Abchasien und Südossetien anerkannte. Diese Anerkennung hat den ohnehin schwierigen politischen Hintergrund noch mehr erschwert.

Inzwischen hat es sich herausgestellt, dass die georgische Bevölkerung nicht absolut geschlossen hinter der offiziellen Stellungnahme der eigenen Regierungen zu Russland steht. Diverse Umfragen zeigen, dass ein erheblicher Teil der Georgier Russland nicht als Feind bezeichnet und auch dafür plädiert, politischen Dialog mit dem großen Nachbarn zu führen. In der georgischen Bevölkerung hat es keine xenophobe Haltung zu den Russen, russischen Bürgern gegeben; auch nicht während des Krieges im August 2008 und unmittelbar danach, zumal später. Davon zeugen unter anderem zahlreiche russische Touristen, deren Zahl von Jahr zu Jahr zwischen 2013 (das Jahr, als die zu Russland radikale Regierung von Micheil Saakaschwili durch die neue, relativ gemäßigte Regierung abgelöst wurde) und 2020 (das „Korona“-Jahr) Jahr für Jahr beeindruckend anstieg. Die Erfahrungen, die russische Touristen in Georgien und bei Georgiern gemacht haben, sind immer positiv gewesen, russische Staatsbürger als solche sind niemals auf Mißgunst der Georgier wegen russischer Herkunft und russischer Staatsbürgerschaft der Gäste gestoßen.

Die georgische Regierung ist andererseits gezwungen, dem Umstand die Rechnung zu tragen, dass Georgien wirtschaftlich in erheblichem Maße von Russland abhängt. Darüber hinaus leben in Russland hunderttausende Georgier, die dort beschäftigt sind und alle Rechte geniessen. Die offizielle Führung des georgischen Staates und die politischen Eliten insgesamt sind von daher nicht daran interessiert, antirussische Stimmungen auf menschlicher Ebene, im Umgang der einfachen Georgier mit den Russen schüren. So gesehen sollen politische Spannungen zwischen Georgien und Russland nicht zu den Minderheiten- bzw. Menschenrechtsverletzungen in Georgien führen. Allerdings es gibt diesbezüglich viele ernst zu nehmende Probleme. Die politische Lage bedingt gefährliche Tendenzen in Georgien, die nicht mit einem modernen demokratischen System vereinbar sind. Eben um dies geht es in diesem Bericht.

 

Worum es geht – die Fragestellung

Georgien versteht sich als ein demokratischer europäischer Staat. Georgien hat im Laufe seiner Unabhängigkeit seit 1991 praktisch sämtliche internationalen Übereinkommen und Verträge zur Wahrung der allgemeinen Menschenrechte, die u. a. auch die Wahrung der Rechte verschiedener Minderheiten und die Ächtung jeglicher Diskriminierung beinhaltet, unterzeichnet. Georgien ist Mitglied des Europarats, der OSZE und strebt die EU-Mitgliedschaft an. Georgien verfügt über eine Verfassung, die mithilfe europäischer Partner ausgearbeitet wurde und auf den allgemein anerkannten demokratischen Prinzipien beruht.

Parallell zu den demokratischen Institutionen des Staates funktionieren in Georgien zahlreiche Nichtregierungsorganisationen, die meistens aus den internationalen Quellen finanziert werden und deren erklärtes Ziel es ist, zur Stärkung der Demokratie beizutragen.

Im Rahmen des vorliegenden Berichts wird es aber anhand mancher Fallbeispiele demonstriert, dass die theoretisch gesicherte Demokratie in Georgien einerseits und die Praxis der Nichtdiskriminierung, der freien Meinungsäußerung und der Minderheitenrechte andererseits ziemlich oft und weit auseinandergehen, wenn es sich ums für die georgische Politik kennzeichnende „ewige Russlandthema“ handelt. Die Mängel bei diesem Thema werden im Westen – in Europa und Amerika oft übersehen, weil sich der Westen viele Streitfragen mit Russland hat und Russland selbst Defizite der Demokratie aufweist. Diese Realität wird seitens der westlichen Institutionen, die Menschenrechte eigentlich ohne Rücksicht auf die Weltpolitik unterstützen sollten, auf die Länder wie Georgien übertragen und Meinungsfreiheit mit dem angeblichen russischen Soft Power verwechselt. Dies eröffnet manchen politischen Kräften im jeweiligen Land (konkret – in Georgien) die Möglichkeit, Andersdenkende zu diskriminieren und leider wird von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.

Wie reagieren aber die staatlichen und nicht-staatlichen Institutionen auf diese Verstöße und Übergriffe? Was wird es ihrerseits getan, dass die international anerkannten Grundsätze und Verträge sowie die inneren demokratischen Gesetze eingehalten werden? Oder tragen sie selbst zur Diskriminierung bei und schaden der immer noch fragilen georgischen Demokratie? Wenn ja, was sind die Ursachen dafür und wie kann die unerwünschten Trends überwunden werden? – Eben um diese Fragen geht es in diesem Bericht.

 Und noch eine anschließende Bemerkung, die schon an dieser Stelle gemacht werden sollte: im Bericht wird die Periode nach dem Machtwechsel in Georgien im Jahre 2012 berücksichtigt, da die Abwahl der bis dahin allein regierenden „Vereinten Nationalen Bewegung“ eine Zäsur in der georgischen Politik darstellt. Die nachfolgenden Regierungen, die vom „Georgischen Traum“ dominierten Parlament gebildet wurden, haben die Loslösung von der undemokratischen Praxis der Vorgängerpartei und die Einhaltung demokratischer Prinzipien in allen Bereichen des Lebens angekündigt.

 

Einige (der vielen) Fakten, die von einer systemhaft verankerten Russenfeindlichkeit zeugen

 

N1. Die Beleidigung der Russen als Nation – menschenverachtende Aussage im Fernsehen

Das sind Schweine, alle sind Schweine. Ich glaube nicht mal, das zumindest deren Rugby-Spieler gute Typen sind. Wenn sie in eine gewisse Situation versetzt werden... Russen sind Schweine und ich bitte, dass in diesem Studio kein einziges russisches Wort gesagt wird! Nein, ich werde keinen Halt machen – das ist das Land der Schweine und alle Russen sind Schweine!“[1]

Das war der Auftritt eines in Georgien sehr bekannten Sportjournalisten und TV-Moderators Dimitri Oboladse, gesagt in einer Kochshow des georgischen Privatsenders „Rustavi2“, der das ganze Land erfasst. Die Unmäßigkeit Oboladses erfolgte als Reaktion auf die Bemerkung einer Kollegin im Studio, dass die Stimmung bei ihr gedämpft sei, da am Tag zuvor das malaysche Passagierflugzeug in der Ukraine abgeschossen und zahlreiche Menschen ums Leben gekommen seien (gemeint war die Tragödie des Fluges MH17 Amsterdam-Kuala Lumpur).

Ein paar Tage später, als die Kritik an Oboladse seitens der Öffentlichkeit in den Sozialen Netzwerken heftiger wurde, hat er seinen schmählichen Auftritt kommentiert und die Schimpfworte durch die Tragödie des Fluges MH17 erklärt, er sei dadurch beeindruckt gewesen und habe von den Emotionen überwältigt gewesen.[2] Dabei hat er sich jedoch für sein Vergehen nicht ausdrücklich entschuldigt und hat hingegen gemeint, seine Beleidigungen seien „gegen Putin“ gerichtet[3]. Das hat offensichtlich dafür gereicht, Oboladse und auch den Sender „Rustavi2“ unbestraft zu lassen. Das in Georgien funktionierende de facto staatliche Gremium – „Kommunikationsausschuss“, das den Sendern Lizenzen auf Sendefrequenzen vergibt und für deren Autorisierung zuständig ist (und dabei Mitglied des ETSI[4] ist) hat auf den Vorfall nicht reagiert, obwohl es seinem Funktionsbereich gehört, wegen Verstösse Ermahnungen zu erteilen und Sanktionen zu verhängen.

Das Parlament, die Regierung, der Ombudsman – alle haben bevorzugt, den Fall durch den Verzicht auf die Kritik des Journalisten und des Senders zu bagatellisieren. Auch seitens der Nichtregierungsorganisation ist keine ausreichende Kritik zu hören gewesen. Eine davon hat den Vorfall mit Oboladse in ihrem Bericht über den Hate-Speech  in den Massenmedien erwähnt, aber dies nur am Rande gemacht und Oboladse faktisch auch gerechtfertigt, da er die Beleidigungen der Russen durch seine emotionale Lage erklärt habe.[5] Übrigens zählt diese Organisation mehrere Phobien, die in den georgischen Medien zu finden seien – Islamophobie, Türkophobie, Armenophobie, allgemeine Ausländerfeindlichkeit usw., aber definitiv keine Russophobie.

 

N2. Das Verbot einer russischsprachigen Aufführung im Theater

Die Praxis, alles Russische zu verwerfen, hat in Georgien noch Präsident Saakaschwili (2004-2013) eingeführt und ausgeübt. 2011 hat es sich im Lande herumgesprochen, auf mündliche Anordnung des Innenministeriums seien russische Lieder im Radio und in den Bars und Restaurants verboten worden. Was es eindeutig bekannt ist, ist der Fall aus dem Jahre 2007, als das Festkonzert anlässlich des Siegestages über den Nazismus (das in Georgien offiziell am 9. Mai gefeiert wird), gegeben zu Ehren der georgischen Kriegsveteranen, teilweise durchgefallen war. Das Konzert sollte, wie immer, im russichen Alexander-Griboedow-Theater in Tiflis stattfinden. Die Darsteller – ein renommiertes Symphonieorchester sowie mehrere ebenso renommierte Chansonnier haben sich versammelt, um den Senjoren – den Kriegsteilnehmern Tribut durch ihre Darstellungen zu zollen. Kurz vor dem Anbeginn des Konzertes hat sich aber die Lage verändert – das Orchester und einige von den Chansonniern verkrochen sich buchstäblich. Es hat offensichtlich einen Anruf aus dem Kultusministerium gegeben, infolgedessen den Musikern die Unzufriedenheit der Beamten mit dem Konzert wegen des „kommunistischen“ Festaktes kundgetan wurde. Das Konzert wurde drastisch abgekürzt. Dieses Faktum ist nicht in die Massenmedien gesickert, wurde jedoch dem Autor dieser Zeilen vom Direktor des Theaters, Herrn Nikolaj Swentizkij, bestätigt.

Die Praxis der groben Einmischung in die Angelegenheiten der Kunst seitens der Beamten ist aber bis heute nicht zu Ende. Dies bezeugt das  ebenfalls nicht in den Medien bekannt gewordene Faktum aus dem Jahr 2019. Zwischen dem 3. und 8. Des Jahres 2019 hat in der georgischen Stadt Batumi (Hauptstadt der Adjarischen Autonomie) das 1. Offene internationale Theaterfestival „Goldene Klementine“ stattgefunden. Das Festival wurde vom Ministerium für Bildung und Kultus der regionalen Regierung unterstützt. Unter den Teilnehmern des Festivals war das Musiktheater des jungen Schauspielers „FantaziaNew“ (Kiew, Ukraine). Das ukrainische Kindertheater wollte dem Zuschauer in Batumi zwei Vorstellungen anbieten – die eine war in der ukrainischen Sprache, die andere – in der russischen Sprache verfasst. Kurz vor der Ankunft der jungen Schauspieler aus Kiew hat jedoch das zuständige Ministerium der Adjarischen Autonomie die Aufführung des russischsprachigen Stückes einfach untersagt – nur weil das Stück russischsprachig war. Um den Kindern – den Schauspielern den Stress wegen der Absage zu ersparen, ist das russische Griboedow-Theater zu Tiflis eingesprungen und tätige Hilfe geleistet: Da die Gäste zunächst in Tiflis landen und erst danach nach Batumi mit dem Bus fahren sollten, hat das Griboedow-Theater das russischsprachige Stück auf seiner Bühne in Tiflis aufführen lassen und die ukrainische Vorstellung wurde dann in Batumi gespielt.

Solche Änderungen hatten sich die Organisatoren des Festivals einfallen lassen, um die ungesetzlichen Verbote der staatlichen Behörden zu umgehen. Diesen Vorfall können die Direktorin des Theaters „FantaziaNew“ Frau Pogrebnjak und Frau Lillie Pirvellie, die die Reise des Theaters unterstützt hatte, bestätigen.[6]

 

N3. Diskriminierung und Hetze wegen der russischen Beteiligung an einer kulturellen Veranstaltung

 Es handelt sich hierbei wiederum um Kinder. Und schon wieder die Regierung der Autonomie Adjariens in Batumi hat sich schlecht verkauft. Jedes Jahr am 26 Mai, Unabhängigkeitstag Georgiens, findet in Batumi eine kulturelle Veranstaltung – internationales volklorisches Festival namens „Goldener Depfin“ statt, an dem sich Kinder und Jugendliche aus verschiedenen Ländern beteiligen. Es geht um einen freundschaftlichen kulturellen Wettbewerb zwischen den verschiedenen Volklortruppen, deren Leistungen von einer Jury bewertet wird. Die Veranstaltung wird vom Ministerium für Bildung, Kultur und Sport unterstützt. Die Veranstaltung hat sich inzwischen fest etabliert und nimmt ihren Ursprung aus dem Jahr 1999. Nach dem Konzert marschieren die Kinder traditionsgemäß in den nationalen Trachten und mit den Flaggen ihres jeweiligen Herkunftslandes durch die Straßen von Batumi und begrüßen diese georgische Stadt am Tag der Unabhängigkeit Georgiens.

Zuletzt hat die Veranstaltung vergangenes Jahr (2019) statthefunden und das war zum ersten mal seit so vielen Jahren eine skandalöse Veranstaltung. Am gleichen Tag ist der Chef der lokalen Regierung Tornike Rizhwadse im Fernsehen aufgetreten und erklärt, er habe die Bildungsministerin Inga Schamilischwili entlassen. Die Ursache hate der Regierungschef nicht verhohlen. Es ging ihm darum, dass unter anderen Gästen durch Batumi auch russische Kinder mit ihren Nationaltrachten und -flaggen marschierten und genau wie Kinder aus anderen Ländern – Lettland, Israel usw. die Bezeichnung ihrer Heimat – „Russland! Russland!“ skandierten.[7] Der Entscheidung des lokalen Regierungschefs ging die Hetze in manchen elektronischen Medien voraus, die aus einer absolut unpolitischen kulturellen Veranstaltung ein Politikum machten. Manche Journalisten bezeichneten die fröhlichen Kinder aus Russland als Teil der russischen Politik und ließen sich keine Möglichkeit entgehen, die Regierung wegen ihrer „Fahrlässigkeit“ zu kritisieren.

Dieser Vorfall wird offensichtlich die entlassene Bildungsministerin, Inga Schamilischwili offensichtlich noch lange verfolgen. Die Universitätsprofessorin hat sich im letzten Sommer (2020) um den Platz der Universität zu Batumi beworben, aber die „wachsamen“ Medien waren „rechtzeitig“ da – sie haben die Geschichte mit dem Kinderfestival wieder aufgewühlt[8] und so die Wahl von Frau Schamilischwili indirekt ausgeschlossen.

 

 

N4. Das Schimpfen über russische Nation in den Medien nicht verboten, dafür russische Sprache im TV – strafbar

Der oben erwähnte staatliche „Kommunikationsausschuss“ reagirt nicht auf unzensierte, hetzerische und menschenverachtende Aussagen im TV, aber dafür macht die Verwendung der russischen Sprache strafbar.

Die Behörde hat dem TV- und Radiosender „Obieqtivi“ eine Strafe in Höhe von 5 Tausend Lari auferlegt, weil der Sender zugelassen hat, eine politische Talk-Show in Prime-Time in der russischen Sprache zu senden. Dabei hat der Kommunikationsausschuss dem Sender die Fortsetzung der Ausstrahlung der russischsprachigen Sendung untersagt.[9] Dabei beruft sich der Ausschuss auf das Mediengesetz, das den Sendern verbietet, über 10% ihrer gesamten Sendezeit sowie 10% der Sendezeit in Prime Time nicht in den Fremdsprachen zu berichten. Dabei muss der Sender dafür sorgen, dass eine fremdsprachige Sendung mit georgischen Untertiteln versehen wird. Es ist aber ein Rätsel, wie soll ein Sender dies bewerkstelligen, wenn es um eine Live-Sendung geht, wie im Fall von „Obieqtivi“.

Darüber hinaus ist es zu beachten, dass in Georgien ethnische Minderheiten in großer Zahl leben – Aserbaidschaner und Armenier (insgesamt etwa 700.000 Menschen in der Republik mit insges. etwa 3. Mio. Einwohnern), viele von denen die einzige Staatssprache Georgisch nur spärlich oder gar nicht verstehen. Sie richten sich ohnehin auf aserbaidschanische bzw. armenische Sender aber auch auf Sendungen aus Russland, die im Kabel-Fernsehen sowie per Satellit zu empfangen sind (zumal in den georgischen Sezessionsgebieten Abchasien und Südossetien ist das der Fall). Von daher erweist sich ein Verbot, den georgischen TV-s fremdsprachige Sendungen einzuschränken, als sinnlos und sogar schädlich. Aber dem „Kommunikationsausschuss“ geht es nicht darum; die Behörde befolgt den Wortlaut des Gesetzes so pedantisch nur deswegen, weil es dabei um Russisch geht und die Sendung des „Obieqtivi-TV“ seitens mancher Nichtregierungsorganisationen moniert wurde.[10]

 

N 5. Begünstigung der Organisationen, die die Russophobie schüren

In Georgien haben verschiedene juristische Subjekte – Nichtregierungsorganisationen einen freien Spielraum, die russophobe Stimmungen schüren. Dabei verbrämen sie ihre russophobe Haltung mit der Abneigung der „kommunistischen totalitären Vergangenheit“.

So sind  für sie die Gedenkfeierlichkeiten anlässlich des Siegestages über den Nazismus/Faschismus, dem 9. Mai, ein solches „totalitäres“ Ereignis. Als linksorientierte Parteien und öffentliche Gruppen, die sich an diesem Tag im Park des Sieges in Tiflis versammeln, um der Geschehnisse des 2.Weltkrieges in der Sowjetunion – den Grossen Vaterländischen Krieg zu gedenken, in dem über 300 tausend georgische Soldaten gefallen sind, erheben die oben genannten russophoben Subjekte viel Krach und scheuen sich nicht davor, im Park zu randallieren und mit ihren ideologischen Gegnern, wie sie die friedlichen Teilnehmer der Feierlichkeiten wahrnehmen, zu konfrontieren. Es muss dabei erwähnt werden, dass im Unterschied zu Zeiten Saakaschwilis, als den linken Organisationen praktisch verboten war, in der Stadtmitte der Hauptstadt Tiflis Gedenkfeierlichkeiten zu veranstalten, sichert die gegenwärtige Regierung die freie Meinungsäußerung durch polizeilichen Schutz. Ansonsten werden die zur Gewalt neigenden Gegner der Feierlichkeiten seitens der Mainstreammedien unterstützt und die linken Aktivisten als ein verlängerter Arm der russischen Soft Power und des Präsidenten Putin dargestellt bzw. diskreditiert. So war bspw. der Gedenkmarsch, organisiert von den linksorientierten Aktivisten (darunter war der Autor dieser Zeilen) am 9. Mai 2019, von viel Krach seitens der Gewaltgruppen begleitet. Es hat ihrerseits nicht nur obszöne und menschenverachtende Ausrufe, gerichtet gegen das Russische Volk, sondern auch die Versuche gegeben, die Friedensaktivisten im Park des Sieges zu überfallen.[11] Diese Versuche wurden zwar von der Polizei unterbunden, die Häuptlinge der Gewaltgruppen, wie zum Beispiel ein gewisser Alexander Elisaschwili, Gründer der „Zivilen Bewegung“, bleiben jedoch salonfähig und werden seitens der georgischen Repräsentanz des amerikanischen „International Republican Institute“ (IRI) unterstützt.[12] Diese Unterstützung reichte bis dahin aus, dass sich die Gruppe um Elisaschwili  in eine politische Partei transformierte und sich an den jüngsten Parlamentswahlen am 31. Oktober 2020 beteiligte (allerdings ohne Erfolg, die Partei bleibt mit etwa 1%- Unterstützung der Bevölkerung marginell). Elisaschwili protzte anschließend am 9. Mai 2019 in einer TV-Sendung: „[Die Teilnehmer des Gedenkmarsches] waren von uns eingeschüchtert und wenn nicht die Polizei, wären sie nicht mit einem blauen Auge davongekommen“.[13]

Die gegenwärtige Regierung Georgiens hat jahrelang nicht die gewaltorientierten russophoben Gruppen aufgelöst und ungesetztlich erklärt, die russische Georgien-Besucher verfolgten, weil viele russische Touristen anlässlich des Siegestages über den Nazismus/Faschismus die s. g. St.-Georg-Bändchen trugen, befestigt an der Kleidung oder im Innenraum des Autos. Die gewaltsamen selbsternannten Patrioten rissen diese Bändchen von den überraschten russischen Touristen, die manchmal versuchten den Widerstand zu leisten, aber konnten nichts ausmachen.[14] Die georgische Polizei versuchte dabei, nicht einzugreifen und bestrafte niemals die Angreifer. Diese milde, genauer – feigsame Duldung der Russophobie führte dazu, dass die gewaltsamen Gruppen immer frecher wurden. Deren Anführer haben einen in Georgien weit bekannten Journalisten überfallen und übelst zugerichtet, der für sie als „prorussisch“ gilt. Seitdem sind diese Anführer ins Ausland geflüchtet und befinden sich in Polen und der Ukraine, die georgische Regierung unternimmt aber nichts, sie extradieren zu lassen.[15]

Die Gefahr, dass die rechtsextreme Szene, die sich aus Russophobie speist, wiedererstarken wird, bleibt bestehen. 

 

N6 . Diskriminierung an der Arbeitsstelle wegen der eigenen Meinung

Wenn man eigene Meinung über den aussenpolitischen Kurs Georgiens hat, die nicht mit der offiziellen NATO/EU-Beitrittspolitik konform ist, geht man reale Gefahr den Job zu verlieren. Dies gilt fast hundertprozentig für den staatlichen Sektor, aber auch für den akademischen Bereich – staatliche sowie private Universitäten.

Ein junger Politikwissenschaftler, namens Irakli Ubilawa, musste trotz seiner angemessenen Qualifikation den Platz des wissenschaftlichen Mitarbeiters an der Staatlichen Djawachischwili-Universität zu Tiflis räumen und die Doktorantur in Russland fortsetzen. Der Grund – seine politische Orientierung auf den Eurasische Wirtschaftsunion statt der üblichen EU. Bis heute kann er keine Arbeitsstelle im akademischen Bereich Georgiens finden.[16] Es gibt auch andere Beispiele, aber grundsätzlich sind nahezu alle Mitarbeiter des staatlichen Sektors und teilweise auch privaten Sektors eingeschüchtert und trauen sich nicht, die offiziell geltenden Dogmen anzufechten.

Es gibt auch ein anderes Beispiel. Ein junger Politikwissenschaftler, der seine Magistratur in Moskau, an der Universität „RUDN“ machte, wurde später beim Aussenministerium Georgiens eben wegen dieser Tatsache als Hospitant abgelehnt.[17] --

 

Tiflis, Georgien, im November 2020



[1] Video vom 18-7-2014, „Intermedia.ge“

[2] Video vom 25-07-2014, „Pirveliradio.ge“

[3] Vulgäre Beschimpfungen des Präsidenten Putin haben sich am 8. Juli 2019 in der politischen Talk-Show beim gleichen Sender – „Rustavi2“ wiederholen lassen, diesmal vom politischen Moderator Giorgi Gabunia. Die Beschimpfungen waren extrem niederträchtig und bezogen sich auf die verstorbene Mutter des russischen Präsidenten. Die Empörung der georgischen Öffentlichkeit über diese Provokation war groß, aber der Sender selbst wurde auch diesmal, wie im Fall Oboladses (siehe oben) ungeahndet geblieben – zuständige staatliche Strukturen sowie die NGO-s haben diesen Vorfall sehr oberflächlich und ohne Konsequenzen kritisiert. Der Sender selbst hat Gabunia für einige Wochen in den Urlaub geschickt, aber ihm die baldige Wiederaufnahme der Moderation ermöglicht. Und schon wieder keine Entschuldigung ist seitens der Führung des Senders erfolgt worden.

[4] https://www.etsi.org/

[5] „Die Hasssprache und Xenophobie“, ein Bericht von MDF 2014-2015, S. 31: http://mdfgeorgia.ge/uploads/library/Hate%20Speech-2015-GEO-web.pdf

[6] Lillie Pirvellie auf Facebook: https://www.facebook.com/manana.inglima , das Telefon von Tatjana Michailowna Pogrebnjak: +380672405053 (Diese Daten sind öffentlich zugänglich und legal erworben).

[7] „Radio Liberty  - Georgien“, am 26-05-2019: https://www.radiotavisupleba.ge/a/29963678.html

[8] So lautete der Bericht eines einflussreichen oppositionellen TV-Senders „Mtavari“ (am 15. Juli, 2020): "Zur Universitätsrektorin könnte jemand werden, die in Batumi am 26. Mai russische Fahnen hochgezogen hat" - https://mtavari.tv/news/10423-batumis-universitetis-rektori-shesadzloa-gakhdes

[9] „Radio Liberty  - Georgien“, am27-08-2020: https://www.radiotavisupleba.ge/a/30805939.html

[10] So hat „MDF-Georgien“, das in den Beleidigungen der Russen als Nation seitens des Journalisten Oboladse nichts besonders Schlimmes fand, in seiner Klage gegen „Obieqtivi“, die russischsprachige Sendung schließen, ein zusätzliches Argument gefunden: die Moderatoren von „Obieqtivi“ Valeri Kwarazchelia und Swiad Awaliani seien immer „prorussisch“ gesinnt und gegen den NATO-Beitritt Georgiens gewesen (sic!). Was soll das mit der Sache zu tun haben, darf ein Journalist nicht gegen den NATO-Beitritt Georgiens sein oder den Dialog mit Russland befürworten? Solche Gedanken sind für solche Organisationen wie „MDF“ nahezu strafbar! Siehe die Argumentation bei MDF (am 19-12-2019):  https://www.mdfgeorgia.ge/geo/view_news/503?fbclid=IwAR2mfJ3SB2EGX11apeR-FTEwVb5k5rPOBafZe2yHv6nepqxvKxAuG26m6D4

[11] Deutlich erkennbare Bilder im Bericht des TV „Imedi“ am 09-09-2019: https://youtu.be/tmnOu65LYDQ?t=82

[12] Der Direktor des IRI John Dipiro sagte georgischen Journalisten, nachdem er sich mit dem Anführer der „Zivilen Bewegung“ A. Elisaschwili und seinen Mitstreitern zusammentraf: „Wir haben erörtert, über welche Ressourcen wir verfügen, um deren Bedürfnisse zu unterstützen“ – Nachricht vom 15-12-2018: https://www.interpressnews.ge/ka/article/525356-iri-aleko-elisashvilis-samokalako-mozraobastan-itanamshromlebs/

[13] Siehe Video vom 09-05-2019 (die Sendung des „TV Pirveli“): https://www.myvideo.ge/v/3787855

[14] Die Gewalttäter stellten etliche Videos selber im Internet aus. So bspw. siehe Videos: https://www.youtube.com/watch?v=eLBh2i3SUa4 ; https://www.youtube.com/watch?v=XltNWl5q0k4 usw.

[15] Dies kann das Opfer – der Journalist Sasa Davitaia selber bestätigen. Tel.: +995568767117. Email: asdaszaza@gmail.com

[16] Irakli Ubilawa, Tel.: +995593386082. Email: strategge@gmail.com

[17] Giorgi Gikaschwili, Facebook: https://www.facebook.com/giorgi.gikashvili

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